Olympia

Deodoro: Wo vom Bilderbuch-Rio nichts mehr übrig ist

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Rio de Janeiro – Panzer, die mitten auf der Straße stehen. Soldatenmassen in einer Größenordnung, die an Kriegsfilme aus Hollywood erinnern. Der Klang von Gewehrschüssen im Ohr, immer wieder. Und rechts wie links: Kasernen.

Wer in Rios Stadtteil Deodoro kommt, in diesen Tagen Austragungsort etlicher olympischer Sportarten, fühlt sich schnell verloren in einer Welt, die so gar nicht an die schönen Strandbilder von Brasiliens Mega-City erinnert. Ganz weit weg vom Bilderbuch-Rio mit Copacabana und Christusstatue.

60 000 Militärangehörige sind nach brasilianischen Angaben in dem kleinen Gebiet im Nordwesten der Stadt stationiert. Im Verhältnis sind das mehr als überall sonst an einem anderen Ort in ganz Lateinamerika, wie die brasilianischen Veranstalter stolz bemerken. Und nun also treffen sich hier, wo sonst vor allem geschossen wird, seit mehr als einer Woche einige der besten Sportler der Welt. Hockey- und Rugbyspieler, Reiter, Slalom-Kanuten, BMX-Fahrer und Mountainbiker beispielsweise. Und: Schützen. Die Olympia-Schießanlage ist passenderweise ebenfalls in Deodoro.

In der «Area militar» stehen Soldaten im Übermaß an jeder Ecke, einige sitzen auf ihren Panzern drauf. An der Seite werden die Kasernensiedlungen hier und da von ländlichen Streifen unterbrochen – mutmaßliche Truppenübungsplätze. «Die Schüsse hört man schon hin und wieder», schilderte Reiterin Isabell Werth. Ihr Pferd Weihegold störe das aber nicht. «Es gab keine Beschwerden, das ist kein Problem», kommentierte Dennis Peiler, Delegationsleiter der deutschen Reiter.

Für Aufregung sorgten allerdings bereits zwei Projektile, die auf der olympischen Reitsport-Anlage gefunden wurden. Woher sie stammten und von wem sie abgegeben wurden, blieb im Detail unklar. In ersten Fall beschuldigte der Verteidigungsminister etwas überraschend Gangster aus einer der umliegenden Favelas, den Schuss mit einem Maschinengewehr abgegeben zu haben. Nach dem Fund eines weiteren Projektils versicherte ein brasilianischer General den Medien, dass «keine Gefahr» bestehe. Obendrein entschuldigte er sich für den Schuss-Lärm aus der Ferne. «Wir müssen üben», erklärte er.

Die Militärs schaffen offenbar zumindest eines: Sie tragen zum Sicherheitsempfinden bei. «Wir haben hier das Gefühl, sicher anzureisen. Ob das aber mit so Riesen-Panzern sein muss, die da auf der Straße stehen, müssen andere entscheiden», sagte Hockey-Nationaltrainer Valentin Altenburg. Sein Spieler Christopher Wesley fühlt sich von den Kampffahrzeugen gar nicht gestört. «Ich finde sie eigentlich schön anzuschauen», berichtete der 29-Jährige.

Kanu-Präsident Thomas Konietzko glaubt, Deodoro stehe angesichts der wachsenden Anschlagsgefahr sinnbildlich für die Entwicklung hin zu einem größeren Sicherheitsdenken. «Ich nehme diese Präsenz von Soldaten nicht als bedrohlich wahr, ob nun in Paris, Amerika oder Deodoro», sagte er. «Wir müssen uns davon verabschieden, dass wir noch mal so eine Leichtigkeit haben werden wie in Sydney oder Athen.»

Fotocredits: Friso Gentsch
(dpa)

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