Olympia

DOSB schreibt Medaillenziel ab – Hörmann: Kein «weiter so»

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Rio de Janeiro – 44 plus X wird nix: Schon zur Halbzeit der Rio-Spiele hat die Spitze des deutschen Olympia-Teams das Medaillenziel abgeschrieben und deutliche Konsequenzen angekündigt.

«Insgesamt werden wir nach den Spielen in der notwendigen Klarheit darüber reden müssen, wo wir stehen und warum», kündigte DOSB-Präsident Alfons Hörmann am Rande des olympischen Golfturniers an. «Ein «Weiter so» kann und darf es nicht geben», sagte er mit Blick auf das Abschneiden einzelner Fachverbände in der ARD. Denn in einigen Sportarten seien die Ziele schlichtweg nicht ansatzweise erreicht worden. «Absolut besorgniserregend ist für mich das Ergebnis bei den Schwimmern», sagte Hörmann.

Nicht ganz so drastische Worte wählte Chef de Mission Michael Vesper bei der Halbzeit-Pressekonferenz im Deutschen Haus. Aber auch er machte keinen Hehl daraus, dass das bisherige Abschneiden alles andere als zufriedenstellend ist. «Es zeichnet sich ab, dass wir die in London gesetzte Marke nicht erreichen werden», räumte Vesper ein.

Mindestens 44 Medaillen wie 2012 – so hatte das erklärte Ziel gelautet. Mit 16 Mal Edelmetall (8x Gold/5x Silber/3x Bronze) blieb das 423-köpfige Aufgebot des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) vor den Sonntags-Wettkämpfen aber klar unter den Erwartungen – in London hatte es zu diesem Zeitpunkt schon 21 Medaillen (5/10/6) gegeben.

In zahlreichen Sportarten sind die Deutschen schlichtweg nicht mehr konkurrenzfähig, wie Hörmann früh festgestellt hatte: «Wir haben im Weltsport ein Niveau, das wir in zahlreichen Verbänden nicht mehr vollumfänglich mitgehen können.» Ob im Beckenschwimmen, Fechten oder Straßenradsport – in früheren Medaillenbänken gingen die Deutschen in Rio de Janeiro komplett leer aus.

Vor allem das Abschneiden der medaillenlosen Schwimmer sorgt für Unmut – und wird wohl gravierende Veränderungen im Verband nach sich ziehen. «Bei 34 Entscheidungen sieht man, wie bedeutend die Sportart Schwimmen ist», sagte der Sportliche Leiter Dirk Schimmelpfennig.

«Es bestätigt sich, was wir immer gesagt haben: Es wird schwerer, Medaillen zu gewinnen, weil immer mehr Nationen nachgerüstet haben», sagte Vesper, der betonte: «Ich gehe davon aus, dass unsere Mannschaft sauber ist. Die Sportler wurden vielfach getestet.»

Mit einer Leistungssportreform, an der DOSB und Bundesinnenministerium seit einem Jahr arbeiten, soll spätestens bis zu den Spielen 2020 und 2024 die Rückkehr in die Weltspitze gelingen. Nach Angaben des BMI steckt der Staat jährlich 153 Millionen Euro in den Spitzensport. Nicht genug, findet Vesper: «Dass wir mehr Mittel brauchen, ist unbestritten.»

Nur den Schützen, Ruderern und Reitern mit ihren Gold-Coups ist es zu verdanken, dass sich die Zwischenbilanz nicht noch schlechter liest. Zudem machen die Teams Hoffnung auf mehr: Im Fußball, Hockey, Handball und Tischtennis waren am Sonntagvormittag noch alle auf Kurs.

Von einem Bild mit «Licht und Schatten» sprach folglich Vesper. Eines macht der DOSB-Spitze Mut: «Wir sind stolz darauf, dass wir schon acht Goldmedaillen gewonnen haben. Und wir werden auch noch weitere gewinnen», sagte Schimmelpfennig. «Wir haben die Möglichkeit, die elf Goldmedaillen von London zu erreichen.»

Schon der Beginn war für das DOSB-Team ziemlich verkorkst. Für viele Athleten wurde die Anreise zur Tortur, in Rio angekommen warteten dann verstopfte Toiletten, kaltes Wasser, chaotische Organisation, mangelhafte Sicherheitsvorkehrungen und lange Schlangen an der Essensausgabe auf die Athleten. «Das, was hier von Brasilien angeboten wird, hat nichts mit Olympia zu tun», schimpfte Damenhockey-Bundestrainer Jamilon Mülders.

Abseits des Sportlichen boten auch die Deutschen nicht nur das beste Bild. Fast schon symptomatisch, dass Vesper am Freitagabend (Ortszeit) im Deutschen Haus in den Pool fiel. Moritz Fürste, der Kapitän der deutschen Hockey-Herren, twitterte: «Frage des abends: wer kann Michael Vesper aus dem Pool raustauchen???».

Für den wohl denkwürdigsten Auftritt sorgte dann einen Tag später Diskus-Sensationssieger Christoph Harting. Bei der Siegerehrung wippte und schaukelte der 26-Jährige während der Hymne – teils mit verschränkten Armen vor der Brust. Es hagelte Kritik. «Das war nicht wirklich toll», räumte Harting später ein.

Diskutiert wurde im deutschen Lager auch das Fernbleiben von Spitzenpolitikern aus der Heimat. Mangelnder Respekt vor den Athleten und fehlende Unterstützung lautete der Vorwurf Richtung Berlin.

Mit Blick auf Kanu-Slalom-Trainer Stefan Henze ist all dies aber nebensächlich. Der 35-Jährige schwebte nach Angaben von Vesper auch am Sonntag weiter in Lebensgefahr. Henze hatte bei einem Unfall in einem Taxi ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten.

Fotocredits: Michael Kappeler
(dpa)

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