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Fahnenträgerin: Rückenwind für Pechstein vor Olympia

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Berlin – Schon nach ihrem historischen Weltcupsieg in Stavanger brachte DOSB-Chef Alfons Hörmann Claudia Pechstein als deutsche Fahnenträgerin für die Olympischen Winterspiele ins Gespräch.

Inzwischen haben sich einige deutsche Topathleten für die 45 Jahre alte Eisschnelllauf-Olympiasiegerin stark gemacht, andere wollen sich wegen Pechsteins Vergangenheit nicht offen äußern.

Überraschend wird Pechstein jetzt auch von ihrer einstigen Rivalin Gunda Niemann-Stirnemann unterstützt. «Zwei Weltcupsiege mit 45 Jahren, das ist unglaublich. Ich ziehe den Hut vor ihrer sportlichen Leistung», sagte die Rekordweltmeisterin aus Erfurt. «Claudia hat es bei ihren siebten Winterspielen verdient, die Fahne zu tragen. Es wäre eine große Genugtuung für sie.» Die harten Auseinandersetzungen hat die dreimalige Olympiasiegerin nicht vergessen. «Konkurrentinnen können nicht beste Freunde sein. Aber unser Verhältnis war immer von Respekt vor der Leistung der anderen geprägt», erläuterte die 19-malige Weltmeisterin der Deutschen Presse-Agentur.

Grundsätzlich steht die Frage: Darf eine einstmals gesperrte Athletin das deutsche Symbol in die olympische Arena tragen? Hörmann sagt ja. Nach der Einschätzung einer DOSB-Expertenkommission vor drei Jahren wurde Pechsteins Zwei-Jahres-Sperre ohne Doping-Beweis aufgrund erhöhter Blutwerte als «Fehlurteil des Weltverbandes ISU» bewertet. Pechstein sei «Opfer, nicht Täter», erklärte Hörmann.

Anti-Doping-Experte Fritz Sörgel wirft die Frage auf, welche «Anforderungen an einen Fahnenträger» gestellt werden: «Ich nehme an, dass sich Herr Hörmann mit Athleten abgesprochen hat, bevor er den Vorschlag unterbreitete.»

Pechstein habe sich Erfolge von «historischem Ausmaß hart erarbeitet», begründete Hörmann. «Ich will aber nicht in den demokratischen Meinungsprozess eingreifen», sagte er bei der Einkleidung für die am 9. Februar beginnenden Spiele in Pyeongchang.

Zunächst wird der Deutsche Olympische Sportbund nun eine Liste von fünf Kandidaten vorlegen. Biathletin Laura Dahlmeier, Kombinierer Eric Frenzel, Alpin-Ass Viktoria Rebensburg sowie die Rodler Natalie Geisenberger und Felix Loch gelten als weitere heiße Kandidaten. Danach gibt es ein Votum von Olympia-Teilnehmern und Sportfans, jede Seite kommt mit 50 Prozent in die Wertung.

«Der erfolgreichste Sportler oder die erfolgreichste Sportlerin der letzten Olympischen Spiele soll den Fahnenträger machen», schlug Biathlon-Weltmeister Simon Schempp vor. Vier Rodler erkämpften in Sotschi je zweimal Gold. «Ich habe de Fahne ja schon beim Ausmarsch in Sotschi getragen», sagte Rodel-Olympiasieger Felix Loch. «Wenn ich gefragt werde, würde ich gar nicht überlegen und es sofort machen.»

Aber auch Pechstein habe es auf jeden Fall verdient. «Die andere Sache, die da immer noch ein bisschen reingeistert, sehe ich ganz unbefangen. Wenn sie es macht, wäre es total okay», sagte er und sprach indirekt Pechsteins Kampf gegen die Sperre an. Experten haben inzwischen nachgewiesen, dass die erhöhten Werte von einer ererbten Blutanomalie stammen. Doch ihr neun Jahre währender juristischer Kampf um Reputation endete bisher mit Enttäuschungen. Hörmann äußerte «Verständnis, dass der eine oder andere auch Skepsis» habe.

«Ich glaube an ihre Unschuld. Mediziner und Wissenschaftler haben das bewiesen. Claudia wäre mit ihrem Durchsetzungsvermögen und ihrem Kampfgeist eine würdige Fahnenträgerin», bekannte der in Rio erfolgreichste deutsche Olympionike, Rennkanute Sebastian Brendel.

Keine Bedenken hat Rodel-Olympiasieger Tobias Wendl. «Claudia ist jetzt zum siebten Mal dabei. So eine ist für mich eine potenzielle Kandidatin.» Auch im Eisschnelllauf-Lager gibt es Zustimmung für Pechstein. «Es wäre ein Riesending, wenn sie es machen würde», meinte Vizeweltmeister Nico Ihle. «Ich wüsste keine, die es mehr verdient hätte», urteilte Teamchef Helge Jasch.

«Es wird bestimmt schwierig für sie, weil am Tag nach der Olympia-Eröffnung die 3000 Meter anstehen», sagte Gabi Hirschbichler. Für Pechstein hat dieses Rennen aber nicht den Stellenwert wie die Fahne. An der Spitze des deutschen Teams einzumarschieren, wäre für sie fast ebenso wichtig wie ihre zehnte Olympia-Medaille. Es wäre «eine absolute Ehre und der i-Punkt meiner Karriere», meinte sie.

Eiskunstlauf-Star Aljona Savchenko hat das Prozedere indes für sich ausgeschlossen. «Da wir als eine der Ersten an den Start gehen, kommen das gar nicht infrage», sagte sie. Und zu Pechstein: «Jeder, der antritt, hat es verdient», meinte sie diplomatisch.

Fotocredits: Tobias Hase
(dpa)

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