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Starker Kohlschreiber mit Olympia-Lust

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Rio de Janeiro (dpa) – In einer verwackelten Video-Botschaft erklärt Philipp Kohlschreiber seinen Olympia-Verzicht. Gerade erst hat der deutsche Tennisprofi das Endspiel des ATP-Turniers in Kitzbühel bestritten.

Schon für den nächsten Tag ist sein erster Auftritt bei den Spielen in London geplant. Doch Kohlschreiber sagt verletzt ab, sorgt mit der Art und Weise sowie dem Zeitpunkt für Enttäuschung und schadet seinem Image. Vier Jahre später tritt er anders auf.

Während diesmal sein erst 19-jähriger Davis-Cup-Kollege Alexander Zverev kurzfristig für Rio zurückzog, genießt der Routinier seine Premiere bei den Sommerspielen in vollen Zügen. Selbst wenn er den Luxus der Tennisprofis aus den teuren Hotels vermisst. «Sechs Quadratmeter ist auch nicht so, dass man sich die ganze Zeit wohlfühlt. Es ist wenig Platz. Fernsehen gibt es auch nicht», sagte Kohlschreiber über das Leben im olympischen Dorf. «Es ist ein bisschen spartanisch. Man spielt dadurch ja auch nicht schlechter.»

Am Samstag schien ihn die Olympia-Atmosphäre gar zu inspirieren. Obwohl der 32-Jährige den ersten Satz gegen den Argentinier Guido Pella abgab, kämpfte sich die deutsche Nummer eins durch und behauptete sich am Ende mit 4:6, 6:1, 6:2. In der zweiten Runde im Olympic Tennis Centre wartet auf den Augsburger nun ein unbekannter Slowake. Die Statistik listet den 26-jährigen Andrej Martin als Weltranglisten-111. auf, eine definitiv lösbare Aufgabe. «Ich weiß nichts über meinen nächsten Gegner», räumte Kohlschreiber ein.

Auf die Eröffnungsfeier hatte der größte Hoffnungsträger der deutschen Tennis-Herren schweren Herzens verzichtet. Mit einer Gruppe deutscher Athleten saß er lediglich vor dem Fernseher, statt stimmungsvoll in das Maracanã-Stadion einzulaufen. «Ich bin hier, um weit zu kommen», sagte Kohlschreiber. «Einen Traum habe ich auch, eine Medaille wäre für mich ein Highlight schlechthin. Mit einem weinenden Auge habe ich die richtige Entscheidung getroffen.»

Durch nichts will er sich seine gute Laune und seinen Optimismus nehmen lassen. Nicht durch leere Ränge auf den Tennisplätzen. Nicht durch die Enge der Zimmer im olympischen Dorf oder das hektische Treiben in der vollen Mensa und kühle Temperaturen in klimatisierten Räumen. «Dann zieht man sich eben einen Pulli an. Ich sehe alles positiv. Wenn man anmerkt, es sei ein bisschen dreckiger – na und? Trotzdem ist es einfach geil», sagte er.

Die für Tennisspieler besondere Atmosphäre treibt die Profis an, glaubt Steffi Graf. «Es ist so, dass man im Tennis ziemlich auf sich allein gestellt ist», sagte die Goldmedaillengewinnerin von 1988 bei einem Besuch im Deutschen Haus am Samstag. «Bei der Olympiade hat man die Möglichkeit, nicht nur für sein Land zu spielen, sondern auch in einem Team zu sein.»

Kohlschreiber will die Chance in Rio nutzen, Athleten aus anderen Disziplinen live die Daumen zu drücken. Turnen und Leichtathletik, aber kein Synchronspringen will er sich in den kommenden Tagen anschauen, wenn Zeit dafür bleibt.

Für ihn selbst kam außer Tennis nie eine andere Sportart infrage. «Ich war überall so schlecht, dass es einfach war», sagte der Bayer. Dabei habe sein Vater früher einiges ausprobiert. «Fußball war nichts. Er hat mir auch mal eine kleine Motocross gekauft. Das war auch nichts, dafür war ich zu ängstlich», plauderte er aus.

Fotocredits: Mijchael Reynolds

(dpa)