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Vierschanzentournee: «König Kamil» besteigt Hannawalds Thron

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Bischofshofen – Auch die geschlagenen deutschen Skispringer verneigten sich vor Vierfachsieger Kamil Stoch – und planten dann schon die nächste Attacke auf den neuen «König von Polen».

Mit der Wiederholung des bis zum Samstag einmaligen Grand Slams von Sven Hannawald schaffte Stoch bei der Vierschanzentournee Historisches. Angeführt vom Gesamt-Zweiten Andreas Wellinger und dem aktuell noch verletzten Richard Freitag wollen sich die DSV-Adler aber längst nicht geschlagen geben. Bei der Skiflug-WM und den Olympischen Spielen in Pyeongchang gibt es schnell die Chance zur Revanche.

Den sichtlich geschafften Stoch interessierten die nächsten Highlights noch nicht, viel zu erschöpft war der 30-Jährige nach seinem vierten Einzelerfolg in Serie in Bischofshofen. «Ich ruhe mich jetzt aus», sagte der zweimalige Olympiasieger. Nur wenige Stunden nach seinem Gesamtsieg wurde Stochs ohnehin schon traumhafter Tag noch besser, denn bei der Wahl zu Polens Sportler des Jahres ließ er sogar Fußball-Superstar Robert Lewandowski hinter sich.

Nach Stochs siegen in Oberstdorf, Garmisch-Partenkirchen, Innsbruck und Bischofshofen haben nun Wellinger, Freitag und Co. die Arbeit.  Bis zur Skiflug-WM in zwei Wochen müssen sie ein Rezept gegen den Mann finden, der bei dieser Tournee der kompletten Konkurrenz weit davonflog. «Wir müssen uns hinter Kamil anstellen, aber das machen wir mit Würde, weil es ist außergewöhnlich, was er geleistet hat», sagte Bundestrainer Werner Schuster.

Vier Einzel-Podestplätze und der zweite Gesamtplatz für Wellinger trösteten den Coach über das Aus von Top-Springer Freitag, der sich in Innsbruck bei einem Sturz verletzte und vorzeitig abreiste. Mit Stochs viertem Sieg in Serie verlor Freitag auch das Gelbe Trikot des Gesamtführenden. «Wir werden diese Generation unterstützen, damit wir in den nächsten Jahren die Tournee einmal gewinnen. Das wird unser Ziel sein», kündigte Schuster an.

Nach seiner Titelverteidigung wurde Triumphator Stoch in seiner Heimat Polen gefeiert. «Heute bilden wir alle gemeinsam das Gefolge eines neuen Königs – Kamil!», schrieb der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki auf Twitter. Die Boulevardzeitung «Fakt» titelte online: «Ein riesiger Erfolg für Kamil Stoch! Der Pole hat Geschichte geschrieben.» Stoch selbst blieb gewohnt bescheiden und nahm eine Trophäe nach der anderen entgegen: «Ich wollte nur meine besten Sprünge zeigen, ich habe nie auf den Sieg geschaut. Aber klar, das ist eine große Ehre für mich, eine große Ehre für das gesamte Team.»

Am Abend gab es dann noch die Auszeichnung als Polens Top-Sportler 2017, Stoch schaltete sich noch einmal per Videobotschaft zu, grüßte seine Kollegen und dankte seiner Frau Ewa. Auch die Skisprung-Familie verbeugte sich geschlossen. «Was  Kamil heute vollbracht hat, da kann ich nur den Hut ziehen. Unglaublich», sagte Wellinger, der nach Innsbruck auch in Bischofshofen Rang drei belegte und damit seinen Aufwärtstrend bestätigte.

Der verletzte Freitag, der nach seinem Sturz über Hüftschmerzen klagte und derzeit in seiner neuen Wahl-Heimat Oberstdorf behandelt wird, hatte dem 26-maligen Weltcupsieger zu Tournee-Beginn noch ein Duell auf Augenhöhe geliefert. Als Stoch seinen vierten Sieg einfuhr, sah der 26-jährige Sachse am Fernseher zu und war einer der ersten Gratulanten: «Du hast es dir verdient. Das war ein großartiger Job», schrieb Freitag auf Instagram. Unmittelbar nach seinem letzten Sprung sprintete der zuvor einzige Vierfachsieger Hannawald in den Auslauf, um mit Stoch die Freude zu teilen. «Willkommen im Club!», rief er.

Ein Vierfachsieg ist aber keine Garantie für weitere Erfolge, wie das Beispiel Hannawald eindrucksvoll beweist. Dieser gewann zwar direkt danach noch einmal in Willingen, danach aber den ganzen Winter und damit auch bei Olympia in Salt Lake City nicht mehr. Gerade Freitag, der in diesem Winter schon drei Weltcup-Siege feiern durfte, gilt als gleichwertiger Stoch-Rivale. «Springerisch sehe ich Ritsch nach wie vor auf Augenhöhe. Wenn wir ihn vor den nächsten Ereignissen zurückkriegen, ist mir nicht bange», sagte Schuster.

Schon beim Skifliegen in Bad Mitterndorf in der kommenden Woche könnte Freitag sein Comeback feiern. «Im besten Fall kann er am Kulm zurückkehren, wobei das die schwierigste Schanze im Jahr ist. Das werden wir uns gut überlegen», kündigte der Trainer aus Österreich an. Mit Freitag und Wellinger könnten die DSV-Adler dann eine Doppelspitze gegen Stoch bilden.

«Dass ich so schnell in die Rolle komme, freut mich extrem. Ich hoffe, dass der Ritsch zuhause ein Lächeln im Gesicht hat», sagte Wellinger, der nach dem Aus seines Teamkollegen zweimal auf das Podest sprang und damit für eine gelungene Tournee ohne Krönung für die DSV-Adler sorgte. «Es ist wahnsinnig geil», sagte Wellinger.  Geschlagen von «König Kamil» müssen die deutschen Skispringer ein weiteres Jahr auf den ersehnten ersten Tournee-Triumph seit Sven Hannawald vor 16 Jahren warten.

Fotocredits: Daniel Karmann
(dpa)

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