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Löw, Grindel, Özil, Lahm: Der verpatzte Fußball-Sommer

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München – Der 24. August galt als der Stichtag. Kurz nach dem K.o. in Russland rief DFB-Präsident Reinhard Grindel das Datum des Bundesliga-Auftakts zur Deadline für Bundestrainer Joachim Löws WM-Analyse aus.

Nun wird vorerst nur das DFB-Präsidium über die anstehenden Reformen der Fußball-Nationalmannschaft informiert. Fans und Öffentlichkeit müssen noch bis kommenden Mittwoch warten, wenn der gescheiterte Weltmeister-Trainer auch öffentlich sein Programm zur Rückkehr in die Weltspitze vorstellen will, genau zwei Monate und zwei Tage nach dem demütigenden WM-Scheitern in Kasan.

Diskutiert wurde seither intensiv. Nicht jeder Beteiligte machte dabei eine gute Figur. Ein Überblick über die Hauptdarsteller des deutschen Fußball-Sommertheaters:

JOACHIM LÖW: «Es braucht tiefgehende Maßnahmen, es braucht klare Veränderungen, und das müssen wir jetzt besprechen, wie wir das tun.» Mit diesen Worten verabschiedete sich der Bundestrainer nach dem WM-K.o. in eine Auszeit. Wie immer nach großen Turnieren suchte Löw Abstand, um die Lage zu überdenken. Das war clever, denn er bot keine Angriffsfläche und kam bislang unbeschadet aus der WM-Pleite. Seine Analyse ist nun fertig, im Gegensatz zu den Fans kennen sie die Funktionäre von DFB und DFL schon. Eines zeichnet sich ab: Die «tiefgehenden Maßnahmen» betreffen eher Strukturen als Personal. Löw bleibt sich offenbar treu und hält zu Weggefährten.

OLIVER BIERHOFF: Im Gegensatz zu Löw gab der Teammanager noch Interviews und verstrickte sich durch eine Aussage zu Mesut Özil in Widersprüchen und Missverständnissen. Ausgerechnet der Marketing- und Medienprofi schadete sich so selbst. Als Verantwortlicher für sperrige Werbetools wie #zsmmn und den Slogan Die Mannschaft bot er zudem viel Angriffsfläche. Bierhoff schweigt nun seit Wochen, aber es wird mittlerweile offen über eine Kompetenzbeschneidung des DFB-Direktors gesprochen. Der DFB-Führung kommt die Debatte anscheinend nicht ungelegen, schon lange missfiel den Funktionären das durch Bierhoff forcierte Eigenleben des Nationalteams.

REINHARD GRINDEL: Auch für den DFB-Boss galt: Hätte er doch besser geschwiegen. Statt zu moderieren, verschärfte der CDU-Mann die aufgeheizte Debatte um Mesut Özil und stand plötzlich selbst in der Rassismus-Ecke, konfrontiert mit integrationsfeindlichen Zitaten aus seiner Zeit im Bundestag. Zu spät verstand Grindel, dass er dumpfen Parolen von rechts hätte entgegentreten müssen, um die DFB-Kampagnen gegen Fremdenhass nicht zu konterkarieren. Kritisiert wurde zuvor die Löw-Treue inklusive Vertragsverlängerung vor der WM. Sein Schicksal ist somit an das des Bundestrainers geknüpft und an einen Zuschlag für die EM 2024 durch die UEFA im September.

MESUT ÖZIL: Er schwieg vor der WM, er schwieg während der WM und er schwieg noch lange nach der WM. Als Özil sein Schweigen brach, war es zu spät. Es wurde klar: Von den heftig diskutierten Fotos mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan konnte sich Özil nicht wie allseits gefordert distanzieren, denn sie waren für ihn eine Selbstverständlichkeit. Ein DFB-Spieler als Anhänger des türkischen Autokraten? Das hätte die deutsche Fußball-Seele zur WM-Zeit nicht toleriert. Ausweg blieb für Özil der Rücktritt. Er vollzog ihn mit einem Rundumschlag und löste eine Debatte über Integrationsfragen aus, die viele Menschen mehr betreffen, als den Fußball-Profi Özil.

PHILIPP LAHM: Als WM-Experte der ARD fiel der Ehrenspielführer mit Statements auf, die waren so seicht wie der Tegernsee, vor dem er saß. Das waren nur klassische Fußballer-Phrasen. Umso überraschender kam dann die knallharte Analyse mit Hinweisen für Löw zur zeitgemäßen Menschenführung auf seinen Social-Media-Kanälen. Lahm profilierte sich als Ratgeber in Krisenzeiten und wurde gehört. Der DFB versprach ihm den Posten als Cheforganisator im Falle eines Zuschlags für die EM 2024. Als Grindel im Amt plötzlich wackelte, wurde der Weltmeister-Kapitän von 2014 sogar schon als legitimer Verbandsboss gehandelt. Im verkorksten WM-Sommer wurde Lahm zu einem Gewinner.

ULI HOENESS: Vermeintliche und echte Experten hatten Hochkonjunktur in diesem Sommer der Fußball-Tristesse, von Mario Basler über Uli Borowka bis Stefan Effenberg. Uli Hoeneß, Altmeister der Abteilung Attacke, hielt sich erstaunlich lange zurück. Doch als er loslederte, war die Wortwahl gewohnt deftig. Nachdem sein Bayern-Kompagnon Karl-Heinz Rummenigge zu viele Amateure beim DFB beklagt hatte, überzog Hoeneß vor allen Özil mit Schimpf und Schande. «Einen Dreck» habe dieser gespielt, waren noch die weniger barschen Wörter. Allein der Schutz seines ewig zu verteidigenden FC Bayern kann nicht die Motivation gewesen sein. Das klang eher nach persönlicher Abrechnung.

Fotocredits: Martin Schutt
(dpa)

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