Olympia

Biedermann: Seelenfrieden hängt nicht von Medaille ab

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Palhoça (dpa) – Ein Olympia-Abschied mit Medaille wäre ganz nach dem Geschmack von Paul Biedermann. Der Weltrekordler will sein Lebensglück aber nicht von den Platzierungen bei seinen dritten und letzten Olympischen Spielen abhängig machen.

«Ob es eine Olympia-Medaille gibt, davon hängt mein Seelenfrieden nicht ab», sagt Biedermann in einem dpa-Interview. In Rio will der Doppel-Weltmeister von 2009 über 200 Meter Freistil in Einzel und Staffel in den Medaillenkampf eingreifen. Seinen 30. Geburtstag kann Biedermann beim Ringespektakel an der Copacabana höchstens nachfeiern. Denn am 7. August ist er im Vorlauf und Halbfinale über 200 Meter Freistil gefordert.

Hat sich Ihre Wahrnehmung von Olympia seit der ersten Teilnahme 2008 verändert?

Paul Biedermann:Meine ersten Spiele waren noch etwas ganz besonderes. Da ist man noch mit leuchtenden Augen herumgelaufen, das hat einfach sehr viel Spaß gemacht. 2012 war man dann schon etwas abgeklärt. Diesmal geht es auch darum noch zu genießen, sich nicht zu viel Druck zu machen und einfach noch mal das Beste herauszuholen.

2008 und 2012 jeweils Fünfter, nur eine Olympia-Medaille fehlt in der Erfolgssammlung. Bringt nur Edelmetall Frieden mit Olympia oder waren Sie nie im Streit miteinander?

Biedermann:Doch, ich hatte andere Ziele. Ich hatte mir zu viel Druck gemacht, das hat sich am Ende alles gerächt. Es hat vieles nicht funktioniert, wie ich es mir vorgestellt habe. Aber das ist eben auch Sport, dass man Dinge nicht erreicht. Deswegen mache ich mir keine allzugroßen Gedanken. Deswegen bin ich im Reinen. Ob es eine Olympia-Medaille gibt, davon hängt mein Seelenfrieden nicht ab.

2012 schrammten Sie mit der Freistil-Staffel über 4 x 200 Meter auf Platz vier knapper als im Einzel an einer Medaille vorbei. Wäre Edelmetall mit der Staffel wertvoller als Einzel-Edelmetall?

Biedermann:Also ich würde mich über beides freuen (grinst). Aber gerade diese Staffel liegt mir besonders am Herzen. Das ist für mich einfach eine Traditionsstaffel, ich verbinde damit sehr viel. Ich möchte mit den Jungs so gut wie möglich abschneiden.

Hat sich Olympia zum Negativen verändert?

Biedermann:Der Amateurgedanke war sehr schön bei der ganzen Sache, dass man im friedlichen Wettstreit den Besten sucht. Ich finde Olympische Spiele werden zu sehr politisch instrumentalisiert, dabei sollte es eigentlich nur um die Sportler und das gemeinsame Erlebnis gehen. Die Spiele haben immer noch einen ganz besonderen Stellenwert. Es sollte nicht mehr der riesige Wettkampf im Vordergrund stehen, sondern auch die Nachhaltigkeit. Und an manchen Stellen sollten vielleicht auch wieder ein bisschen kleinere Brötchen gebacken werden.

Was war für Sie das schönste Olympia-Erlebnis?

Biedermann:Den Olympiasieg der Hockey-Mannschaft 2008 habe ich sehr gerne erlebt. Die olympische Mensa, das gemeinsame Essen mit Sportlern aus verschiedenen Nationen oder wenn Sportler aus exotischen Olympia-Nationen Bilder von Stränden oder anderen Sachen zeigen, wie schön es in ihrer Heimat ist. Es ist bereichernd, dass man Einblicke in deren Leben bekommt.

Und was ist, wenn der Weltrekordler Paul Biedermann neben anderen Sportgrößen steht. Wird man da selbst noch mal Fan?

Biedermann:Ein bisschen schon (lacht). Aber man kennt das ja nun auch schon und lässt solchen Sportstars auch ihren Freiraum.

Wo steht das deutsche Schwimmen eigentlich, wenn nach Britta Steffen nun bald auch der andere Erfolgsgarant Paul Biedermann aufhört?

Biedermann:Das deutsche Schwimmen steht sehr gut da. Wir haben mit Marco Koch und Franziska Hentke zwei, die die Gesichter sein können, die den Schwimmsport prägen können. Johannes Hintze, Florian Vogel, Damian Wierling oder Jakob Heidtmann sind einfach tolle Nachwuchsathleten. Sie können nicht nur den Sprung von der Jugend in die A-Nationalmannschaft schaffen, sondern auch nach ganz oben. Ich finde, dass deutsche Schwimmen ist auf einem sehr guten Weg.

Sie haben ja gesagt, dass der Trainerberuf für Sie nichts ist. Wäre ein Mitwirken im DSV bei einer anderen Führungsstruktur etwas?

Biedermann:Ich glaube nicht, dass sich im DSV groß was ändert (lacht). Außerdem möchte ich mich selbst erstmal beruflich finden. Aber wenn das gewünscht sein sollte, würde ich mit Rat und Tat zur Seite stehen. Ich möchte den deutschen Schwimmsport gerne weiter unterstützen, dazu habe ich es lange genug gemacht. Ich bin mit Leib und Seele Schwimmer, aber die berufliche Perspektive befindet sich außerhalb des Deutschen Schwimm-Verbandes.

Sie sind Vierter der Weltjahresbestenliste. Es führt der Chinese Sun Yang, der auch schon wegen Dopings gesperrt war. Geht man da mit kritischen Gedanken in ein olympisches Finale?

Biedermann:Da mache ich mir keine Gedanken drum, weil das einfach verschwendete Kraft ist. Ich kann daran sowieso nichts ändern. Egal ist es mir natürlich nicht. Ich wünsche mir einen dopingfreien Sport und dass alle Athleten sauber an den Start gehen. Aber ich kann nicht beeinflussen, was andere machen.

Werden Sie als langjährige Nummer 1 im deutschen Schwimmen nach dem Rücktritt die Öffentlichkeit vermissen? Gibt es die Sorge, in ein Loch zu fallen?

Biedermann:Das kann ich noch nicht sagen. Es stehen noch zu viele Sachen an, der Fokus ist ganz auf Rio gerichtet. Über andere Sachen kann ich mir noch keine Gedanken machen. Aber das können wir gerne in einem halben oder dreiviertel Jahr besprechen. Dann weiß ich mehr, wie sich das anfühlt. Aber ich war nie einer, der gezielt die Öffentlichkeit gesucht oder sich in den Vordergrund gedrängt hat.

ZUR PERSON:Paul Biedermann (29) ist seit Jahren einer der wenigen deutschen Weltklasseschwimmer. 2009 gelangen ihm im Wunderanzug Weltrekorde und der Sieg über US-Star Michael Phelps bei der WM in Rom. Es folgten EM-Titel und WM-Medaillen, nur olympisches Edelmetall fehlt. Nach Olympia will er seine sportliche Laufbahn beenden.

Fotocredits: Bernd Thissen

(dpa)