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Kapitän Neuer gefordert: Am Unantastbaren wird gekratzt

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Paris – In Krisensituationen ist ein Kapitän besonders gefordert. Wegducken geht nicht, das weiß Manuel Neuer.

Der Nationaltorhüter stellt sich gegen die starken Franzosen mit Topstürmern wie Kylian Mbappé und Antoine Griezmann am Dienstag (20.45 Uhr) im Stade de France auf einen arbeitsreichen Fußballabend im deutschen Kasten ein. «Wir wissen natürlich, dass es keine leichte Aufgabe ist, gegen den Weltmeister zu spielen», sagte Neuer: «Aber es hilft uns nichts, im Negativen rumzudümpeln. Wir müssen nach vorne schauen und versuchen, unser Bestes zu geben, jeder Einzelne und als Mannschaft in Paris.»

Nach dem 0:3 in Amsterdam gegen die Niederlande und dem Sturz auf den letzten Gruppenplatz in der Nations League wird alles hinterfragt rund um die Nationalmannschaft – nicht nur der Bundestrainer. Auch Neuer, mit 32 Jahren der Älteste im Kader, scheint nach der WM und dem neuen Debakel in Holland den Status des Unantastbaren einzubüßen.

Am Montagnachmittag vor dem Abschlusstraining sollte Neuer neben Bundestrainer Joachim Löw im Stade de France zur Pressekonferenz erscheinen und zur Lage der Fußball-Nation Deutschland sprechen. Sie ist ernst. «Wir sind uns unserer Lage bewusst, das, was im Sommer passiert ist. Das ist jetzt wieder eine Riesenenttäuschung für uns», hatte Neuer nach der bitteren Niederlage in Amsterdam geäußert.

Schon da appellierte der Kapitän, eine Einheit zu bilden. «Wir versuchen, geschlossen aufzutreten und zusammen auch aus dieser negativen Phase rauszukommen.» Neuer erinnerte demonstrativ an das Hinspiel in München, als die deutsche Elf dem Weltmeister dank einer geschlossenen Mannschafts- und Defensivleistung ein 0:0 abrang. «Wir hatten sogar die Chance, zu gewinnen», bemerkte der Schlussmann.

Neuers Rolle im DFB-Kreis hat sich verändert. Die lange Abwesenheit wegen der mehrmaligen Fußverletzung hat den Status des Teamseniors angekratzt. Dass Löw Rückkehrer Neuer vor der WM trotz der langen Wettkampfpause sofort wieder den Nummer-1-Status verlieh, fand nicht nur Konkurrent und Kronprinz Marc-André ter Stegen irritierend.

Neuer war nicht der Schuldige am WM-Debakel. Aber die herausragende Ausstrahlung früherer Zeiten fehlt auf dem Platz. Das Resolute bei hohen Bällen und in der Strafraumbeherrschung geht ihm ab. Das erste Gegentor in Holland nach einer Ecke war ein Beleg.

«Eine Mitschuld habe ich auf jeden Fall», sagte Neuer, der die Szene so schilderte: «Es war eine Torschussflanke, sehr schwer ranzukommen für mich. Wir verlieren dann auch wieder zwei Kopfballduelle. Ich denke, dass ich Mitschuld habe und unsere Defensivspieler auch.»

In der kritisch geführten Debatte um Löws Treue zu den Weltmeistern von 2014 kann Neuer nicht ausgespart werden. Auch Löw attestiert ter Stegen den Status der Weltklasse, die der 26-Jährige beim FC Barcelona regelmäßig nachweist. Trotzdem ist ter Stegen für Löw nur «der kommende Mann». Es liegt an Neuer, die Rangfolge zu bewahren.

Der Kapitän kann selbst nur gut aussehen, wenn die Spieler vor ihm kompakt, stabil und diszipliniert verteidigen. Die Endphase mit zwei weiteren Gegentoren und einem Lattentreffer gegen die Niederlande sei «ein bisschen Harakiri» gewesen, beklagte er. «Da wurdest du eiskalt bestraft», sagte Neuer – und meinte damit auch sich als Torhüter.

Neuer oder ter Stegen? Bei der EM 2020 wird Neuer 34 sein, bei der WM 2022 wäre er 36. Aber er ist der Kapitän und Weltmeistertorwart von 2014. Neuers Länderspielbilanz ist mit 57 Siegen, elf Unentschieden, 13 Niederlagen und 72 Gegentoren in 81 Länderspielen (Schnitt: 0,89) herausragend. Die Debatte um den Weltmeisterbonus und den unter Löw nur zart vollzogenen Umbruch verfolgt Neuer aufmerksam. «Ich glaube nicht, dass es daran gelegen hat», sagte er nach dem 0:3 in Holland.

Fotocredits: Ina Fassbender
(dpa)

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