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Löw genervt und kämpferisch – Oranje-Duell als EM-Wegweiser

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Kaiserau – Das Stigma des Abstiegs wurmt Joachim Löw mehr, als er öffentlich zugeben mag. Auf dem kurzen Flug von Leipzig Richtung Westen hatte der Bundestrainer am Sonntag das ungeliebte Kapitel Nations League für sich aber erstmal abgehakt.

Die Revanche gegen die Niederlande zum Abschluss des historisch schlechten WM-Jahres steht für Löw am Montag (20.45 Uhr) auf Schalke nur noch im Zeichen des Umbruchs und Neuaufbaus. «Unser Blick richtet sich klar in Richtung der EM 2020, für die wir uns qualifizieren werden und bei der wir wieder eine starke Mannschaft ins Turnier schicken wollen», sagte der Bundestrainer fast trotzig.

An Löws Reformwillen und Reformfreude gibt es laut Oliver Bierhoff trotz diverser Negativ-Marken im trostlosen WM-Jahr 2018 keinen Zweifel. «Er ist mit viel Freude dabei. Man kann das schon ein bisschen mit dem Confed Cup vergleichen. Weil er einfach Lust hat, neue Dinge anzugehen, neue Impulse zu setzen», sagte der Teammanager.

Löws Aufstellung gegen Holland wird weitere Hinweise liefern, wie forsch der entthronte Weltmeister-Coach den Umbau der DFB-Elf angeht. Im Vergleich zur jungen Leipzig-Formation, die gegen Russland beim 3:0 überzeugte, stehen einige Arrivierte wieder zur Verfügung. Real-Madrid-Star Toni Kroos ist nach einer Erholungspause wieder dabei. Verzichten muss die deutsche Nationalmannschaft höchstwahrscheinlich auf Marco Reus. Der 29 Jahre Dortmunder hatte nach seiner Fußblessur und dem Ausfall gegen Russland zwar wieder mit dem Team geprobt, spürte danach aber noch Schmerzen, wie Joachim Löw berichtete. «Sollte er nicht bei 100 Prozent sein, würde er nicht spielen. Da wäre das Risiko zu groß», sagte der Bundestrainer.

Anders als Reus ist Jonas Hector, der beim jüngsten 3:0 im Testspiel mit einer Knöchelprellung vorzeitig vom Platz musste, wieder einsatzbereit. Der Kölner habe «überhaupt keine Probleme mehr», informierte Löw. Ob Ex-Weltmeister Mats Hummels in die Startelf zurückkehrt, ließ der Bundestrainer offen. Thomas Müller, der vor seinem 100. Länderspiel steht, kam in Leipzig zum zweiten Mal nur als Ergänzungsspieler für den jungen Club-Kollegen Serge Gnabry von der Bank.

Für die finale Vorbereitung auf das Holland-Spiel zog der DFB-Tross am Sonntag in die Sportschule Kaiserau ein. Löw und Bierhoff versuchten, die Spannung bei Kapitän Manuel Neuer und der jungen Generation um Leroy Sané noch einmal aufzubauen. «Am Herangehen an das Spiel am Montag hat sich nichts geändert. Das ist einfach noch einmal ein Prestige-Duell. Zweitens wollen wir noch unsere Entwicklung vorantreiben», sagte Bierhoff. Nicht vergessen ist zudem die Demütigung beim 0:3 im Oktober in Amsterdam.

Sportlich zu retten ist die Bilanz als Schlusslicht der Gruppe 1 der Nations League aber nicht mehr. Mit einem Sieg gegen die jungen Holländer könnte die Chance auf einen Platz im besten Lostopf für die EM-Qualifikation immerhin noch gesichert werden. Für DFB-Präsident Reinhard Grindel ist das Spiel gegen das Team von Bondscoach Ronald Koeman genau deshalb «von größter Wichtigkeit».

Würde das DFB-Team in dem Setzranking für die Multinationen-EM 2020 mit Gruppenspielen in München den bisherigen Platz elf behalten und in Topf 2 rücken, droht ein starker Gegner vom Kaliber Frankreich, Italien, Portugal, Belgien oder Spanien. Nur die besten zehn Teams kommen bei der Auslosung am 2. Dezember in Dublin in den besten Topf. Acht von zehn Plätzen sind bereits vergeben.

Noch in Leipzig hatte Löw seine Schützlinge nach dem im fernen Rotterdam durch das 2:0 der Niederländer gegen Frankreich besiegelten Abstieg auf die neuen Zielsetzungen eingeschworen. Acht Minuten und damit ungewöhnlich lange redete der Bundestrainer auf dem Trainingsplatz auf seine Spieler ein.

«Das ist mit Sicherheit kein Weltuntergang, aber es ist schon frustrierend. Gestern Abend ist man schon genervt ins Bett gegangen», berichtete Bierhoff vom gemeinsamen Fußball-TV-Abend mit Löw. Auch der Bundestrainer sei «genervt» gewesen. Die Abhängigkeit vom Engagement der Franzosen wurmte Löw gewaltig. «Das hat noch einmal eins draufgesetzt auf das schlechte Jahr, das wir hatten. Vielleicht muss man mal den Boden berühren, um wieder den Aufstieg anzugehen», sagte Bierhoff.

Auch die Spieler mussten sich erst einmal schütteln. «Wir haben gehofft, das schlechte Jahr noch einigermaßen gutmachen zu können», sagte der Schalker Sebastian Rudy mit Blick auf den Klassiker in seinem Heimstadion: «Wir wissen aber, wir dürfen den Kopf nicht hängen lassen.»

Löw will das Jahr nach dem feststehenden Abstieg aus der Topgruppe der Nations League unbedingt mit einem Sieg abschließen, um bis zum Beginn der EM-Qualifikation im März 2019 eine positivere Stimmung mitzunehmen. Die Zahlen für 2018 decken schonungslos die Misere auf. Sechs Niederlagen in einem Kalenderjahr gab es noch nie in 111 Jahren deutscher Länderspielgeschichte. Nur zwölf Tore in einem Jahr sind Negativwert unter Chefcoach Löw seit 2006. Bestenfalls sind noch fünf Siege 2018 möglich und damit die Einstellung des Tiefstwertes der Löw-Ara aus dem Jahr 2015, als es aber nur neun statt 13 Länderspiele gab.

Fotocredits: Federico Gambarini
(dpa)

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