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Miriam Weltes emotionaler Spagat: «Bleib stark, Kristina»

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Glasgow – Nur mit Mühen konnte Miriam Welte ihre Tränen verbergen. Trotz der EM-Medaille um den Hals fiel ihr Jubel nach Platz drei im Teamsprint bei den European Championships in Glasgow sehr verhalten aus.

Auf der Ehrenrunde reckte sie zwei-, dreimal die Faust in die Höhe. Später bei der Siegerehrung freute sie sich dann doch ein bisschen mit ihrer neuen Partnerin Emma Hinze aus Cottbus über Bronze.

«Ich bin wirklich gefasst, aber in mir drinnen sieht es anders aus, als ich es jetzt zeige», sagte die 31-Jährige später. Weniger die Bronzemedaille als der schwere Unfall ihrer langjährigen Teamkollegin Kristina Vogel vor gut sechs Wochen in Cottbus war beim Interviewmarathon immer wieder das Thema. Verständlich. Über Jahre hinweg hatte das Duo Welte/Vogel den Teamsprint der Frauen geprägt, holte Olympia-Gold (2012) und Bronze (2016) und wurde viermal Weltmeister.

In der Sir-Chris-Hoy-Arena musste Welte erstmals bei einem internationalen Einsatz ohne ihre Zimmerpartnerin und inzwischen auch gute Freundin aus Erfurt auskommen. Die Pedalriemen mit dem Hashtag #staystrongkristina («Bleib stark, Kristina») und ein pinkes Tuch – ein gemeinsames Ritual aus Erfolgszeiten – erinnerte an jenem emotionalen Abend an die mit schwersten Rückenverletzungen in einem Berliner Krankenhaus liegende Vogel. «Das Tuch hat mich beflügelt und mir Kraft gegeben. Wir sind hier definitiv auch für Kristina gefahren. Sie gehört weiter zu unserem Team – auch wenn sie nicht dabei sein konnte», sagte Welte.

Für die sechsmalige Weltmeisterin aus Kaiserslautern war der Wettkampf ein schwieriger Spagat. «So dramatisch und schlimm der Unfall von Kristina auch war, es muss irgendwie immer weitergehen. Auf der einen Seite musst du funktionieren, es ist Olympia-Qualifikation und es geht um Medaillen. Auf der anderen Seite weiß ich, dass Kristina leidet und dass es ihr nicht gut geht. Das ist schwierig gewesen», erklärte Welte, die sich beim Start aber voll auf das Rennen konzentrierte und in Hinze eine starke Partnerin fand.

Kontakt zu Vogel hat Welte zurzeit nicht. «Ich denke, sie wird sich melden, wenn es ihr besser geht. Ich bin trotzdem in Gedanken ganz viel bei ihr. Und ich bin sicher, dass sie auch an uns denkt», sagte die Pfälzerin. Einige Sportler haben noch mehr an den Folgen von Vogels Unfalls zu knabbern. Teamsprint-Weltmeisterin Pauline Grabosch aus Erfurt war in Cottbus direkt dabei und benötigte erstmal eine Auszeit.

Welte hat die Verarbeitung dagegen weitgehend abgeschlossen: «Ich habe den Vorteil, dass ich den Unfall in Cottbus nicht vor Ort miterleben musste. Wenn man es nicht selber sieht, ist man nicht ganz so extrem betroffen – das kenne ich auch aus meiner Arbeit als Polizistin», sagte Welte. «Aber natürlich bin ich weiter unglaublich traurig über den Unfall.» Und daran konnte auch EM-Bronze im Teamsprint nicht wirklich etwas ändern.

Das gleichfalls neu formierte Männer-Teamsprint-Trio mit Timo Bichler, Stefan Bötticher und Joachim Eilers belegte in 43,805 Sekunden ebenfalls Platz drei und schlug im kleinen Finale die Niederlande.

Charlotte Becker, Lisa Brennauer, Mieke Kröger und Gudrun Stock holten sich mit der deutschen Rekordzeit von 4:23,105 im kleinen Finale der 4000-Meter-Mannschaftsverfolgung gegen Polen Bronze. Es war die erste EM-Medaille seit 2011, damals wurde noch zu dritt gefahren. «Ich denke, die Talsohle ist durchschritten. Das Ergebnis ist eine große Motivation für uns und zeigt, dass wir es doch noch können«, sagte Anfahrerin Becker, die wie Brennauer schon vor sieben Jahren zum Silber-Trio gehörte.

Der Vierer der Männer belegte in der 4000-Meter-Mannschaftsverfolgung wie bei der EM 2017 und der WM 2018 den vierten Platz. Im kleinen Finale unterlag der Quartett in 4:00,007 Minuten gegen Olympiasieger Großbritannien (3,57,463). Der Titel ging an Italien vor der Schweiz.

Fotocredits: John Walton
(dpa)

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