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Referee Dankert fühlte sich an Kreisliga-Zeiten erinnert

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Rostock – Bundesliga-Schiedsrichter Bastian Dankert hat nach der Corona-Zwangspause mehrere Geisterspiele gepfiffen. Der 40-Jährige erzählt im Interview der Deutschen Presse-Agentur unter anderem, was aus Schiedsrichter-Sicht die Unterschiede zu einem Fußballspiel mit Zuschauern sind.

Sie haben bereits einige Geisterspiele nach der Corona-Zwangspause gepfiffen. Wie ist es, ein Geisterspiel zu pfeifen?

Bastian Dankert: Als ich das erste Spiel gepfiffen habe, ging es mir so, als wäre ich 20 Jahre zurückversetzt worden, als wenn ich in der Kreisliga B wieder vor 20 Zuschauern pfeife. Das war eine gewisse Gewöhnung an die Verhältnisse dort, dass man die Spieler lautstark gehört hat, wie sie sich untereinander Anweisungen geben. Man nimmt die Zweikämpfe intensiver wahr, wenn jemand auf den Fuß getreten wird oder in die Hacken gehauen wird. In den Stadien hallt es dann auch sehr nach, wenn man die Anweisungen der Trainer oder Offiziellen lautstark hört. In der ersten Viertelstunde war es willkommen zurück in der Kreisliga. Aber man gewöhnt sich sehr schnell daran. Man muss versuchen, auch mit weniger Geräuschkulisse die Konzentration oben zu halten. Und manchmal ist es eben ein Indiz, wenn 80.000 plötzlich im Stadion schreien: «Foul, Foul, Foul».

Der DFB-Schiedsrichter-Chef Fröhlich sagte in einem Interview der Deutschen Welle, dass aus seiner Sicht das Tempo des Spiels höher und länger anhalte. Er führte das unter anderem darauf zurück, dass jetzt fünf Wechsel möglich seien. Teilen Sie diese Ansicht?

Dankert: Das darf man so unterstreichen. Die ersten zwei Spiele waren noch ein bisschen Gewöhnung für alle. Man hat schon gemerkt, dass jetzt mehr Speed reinkommt, dass die Mannschaften alles geben. Das war ein sehr hohes Tempo. Das merkt man bei den eigenen Laufauswertungen, wenn man als Schiedsrichter ein paar mehr Sprints hat, ein paar Kilometer mehr auf der Uhr hat nach dem Spiel. Das ist definitiv so.

Was heißt das konkret in Zahlen?

Dankert: Das ist von Spiel zu Spiel unterschiedlich. Vielleicht reden wir über einen Kilometer mehr. Wir laufen sonst im Spiel zehneinhalb bis elf Kilometer, jetzt sind es vielleicht mal elf bis zwölf Kilometer. Das merkt man dann schon.

Ist es mit Blick auf die Anspannung und den eigenen Puls ein Problem bei Geisterspielen, dass Zuschauer fehlen, gerade bei besonderen Spielen wie Derbys? Ihr Kollege Deniz Aytekin deutete das an.

Dankert: Da kann ich dem Kollegen nur recht geben. Das fehlt definitiv. Am Ende macht das Adrenalin vielleicht fünf Prozent aus, wenn man in ein Stadion geht, in dem eine tolle Kulisse und ein toller Geräuschpegel bemerkbar ist, in dem Emotionen vorherrschen. Das merkt man auch am Trainerverhalten. Es gibt Trainer, die sitzen jetzt plötzlich 90 Minuten auf ihrer Trainerbank, die bei Spielen mit Zuschauerbeteiligung 90 Minuten stehen.

Schiedsrichter konnten über mehrere Monate nicht pfeifen. Sie bekommen einen Betrag pro Spiel. Sind Sie durch die Pause selbst in finanzielle Probleme geraten?

Dankert: Generell habe ich mein Leben so aufgebaut, dass ich ganz normal auch ohne das Schiedsrichterwesen weiterleben kann, auch mit der Lebensqualität, die ich mir erarbeitet habe. Mein Leben ist so ausgerichtet, dass ich all die laufenden Kosten, die ich habe für meine Familie, für meine Kinder, auch mit meinem normalen Gehalt, was immer da ist, decken kann.

Ist es aus Ihrer Sicht in absehbarer Zeit überhaupt wieder möglich, als deutscher Schiedsrichter ins Ausland zu reisen, um dort internationale Spiele zu pfeifen?

Dankert: Das ist natürlich fraglich. Jetzt sind gerade mal die Urlaubsregelungen raus. Ich hoffe, dass es im August soweit ist, dass es auch einen Flieger nach Portugal gibt, so dass man dann noch bei ein, zwei Champions-League-Spielen zum Einsatz kommen darf. Der Champions-League-Auftakt lief für uns deutsche Schiedsrichter ganz gut.

ZUR PERSON: Bastian Dankert (40) ist seit 2008 DFB-Schiedsrichter. Seit 2012 ist er in der 1. Bundesliga im Einsatz, seit 2014 ist er FIFA-Referee. Dankert wohnt in Rostock und ist zweifacher Familienvater. Er ist Geschäftsführer des Landesfußballverbandes Mecklenburg-Vorpommern.

© dpa-infocom, dpa:200624-99-552901/3

Fotocredits: Ronny Hartmann
(dpa)

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