Olympia

Schwache DLV-Bilanz: Zweimal Gold lindert nur die Wunden

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Rio de Janeiro – Auch der Gold-Wurf von Thomas Röhler konnte die Bilanz nicht mehr retten, sondern nur noch die Wunden lindern. Die Leichtathleten gehören zu den großen Verlierern im deutschen Olympia-Team.

Für die mit 89 Startern größte Teilmannschaft gab es mit drei Medaillen in Rio nur minimalen Erfolg. «Das Bild der deutschen Leichtathleten ist sicher geprägt von einer unbefriedigenden Medaillenausbeute», bilanzierte Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes. «Tatsächlich haben einige Athleten die in sie gesetzten Erwartungen oder Hoffnungen nicht erfüllen können.»

Eine große Pleite verhinderten die Diskuswerfer Christoph Harting (Gold) und Daniel Jasinski (Bronze) sowie Röhler, der am Samstag mit dem Speer einen Volltreffer landete und sich 44 Jahre nach Klaus Wolfermann zum Olympiasieger kürte. Bei aller Freude über den Röhler-Coup musste auch Cheftrainer Idriss Gonschinska enttäuscht eingestehen: «Ein singuläres Ereignis rettet einen Sport nicht.»

Seit dem Debakel bei den Peking-Spielen 2008 in Peking mit nur einem Bronze-Gewinn gab es keinen solchen Rückschlag mehr. Bei den darauf folgenden Weltmeisterschaften kämpften die DLV-Asse auf konstant hohem Niveau und holten insgesamt 26 Medaillen. Bei den Sommerspielen 2012 in London waren es acht Edelplaketten. «Das Ergebnis in Rio betrachte ich daher als einen Ausrutscher und nicht als Trendwende», erklärte Prokop.

«Als Sorgenkinder des deutschen Spitzensports verstehen sich die Leichtathleten nicht», versicherte auch Kurschilgen. Eine «stichtagsbezogene Medaillenbilanz» könne keine Rückschlüsse auf die Qualität der leistungssportlichen Arbeit eines Spitzenfachverbandes innerhalb eines olympischen Zyklus‘ geben. Die Kritik des Deutschen Olympischen Sportbundes war dennoch deutlich. «Das ist eindeutig, ähnlich wie bei den Schwimmern, ein besorgniserregender Zustand», stellte DOSB-Präsident Alfons Hörmann fest. Dieser tue deshalb weh, weil es im Bereich Leichtathletik wie im Schwimmen viele Wettbewerbe gebe. «Das heißt also, wenn in den Verbänden das Leistungsniveau nicht erreicht wird und keine angemessene Form von Erfolgen gesichert wird, wird es auch nie die erfolgreiche Gesamt-Olympiamannschaft geben können.»

Verbandschef Prokop will den Rückschlag am Zuckerhut nicht aussitzen, sondern Maßnahmen einleiten, damit aus dem «Ausrutscher» kein tiefer Fall wird. «Bereits in den kommenden Wochen werden wir eine grundlegende Umstrukturierung der Abteilung Leistungssport beim DLV einleiten», kündigte er an. Außerdem sollen «auf der Basis der Analyse der Ergebnisse von Rio sehr sorgfältig die anstehende Verlängerung von Trainerverträgen» geprüft werden, so Prokop.

Damit soll die Leichtathletik nicht nur für die WM 2017 in London wieder auf Vordermann gebracht werden, sondern auch für die Heim-EM 2018 in Berlin und langfristig für die Spiele 2020 in Tokio. «Es gab viele Ergebnisse junger Athleten, die mich auch ohne Medaille sehr optimistisch für die kommenden Herausforderungen stimmen», meinte Prokop. Dazu zählt Platz sechs durch Hindernisläuferin Gesa Felicitas Krause in deutscher Rekord-Zeit oder der Auftritt von Gina Lückenkemper, die beim Olympia-Debüt über 200 Meter ins Halbfinale rannte.

Nicht erfüllt haben vor allem die etablierten Kräfte die Erwartungen. Allen voran das Kugelstoß-Duo Christina Schwanitz und David Storl, der angeschlagene Diskus-Held Robert Harting oder das Speerwurf-Trio der Frauen um Christina Obergföll, das im Nominierungsstreit lieber mit «vergifteten Pfeilen» verbal aufeinander zielte.

Als Grund für das magere Abschneiden wird im DLV aber auch die dichte Abfolge von EM und Olympia angeführt. Bei den kontinentalen Titelkämpfen hatten die deutschen Leichtathleten mit 16 errungenen Medaillen groß aufgetrumpft – und ihr Pulver schon verschossen? «Vielleicht haben viele alles in die EM reingelegt», meinte Stabhochspringerin Lisa Ryzih. «Was man hat, das hat man.»

Fotocredits: Michael Kappeler
(dpa)

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