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Sorg: Schweinehund besiegen – «Eiskalt» sein in Weißrussland

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Venlo – Nach dem ungewohnten Trainingstest vor 20.000 Fans formulierte der amtierende Chef Marcus Sorg den Auftrag für Weißrussland.

«Wir kommen aus der Pause, brauchen den Rhythmus. Dazu gehört auch mal, dass man seinen inneren Schweinehund überwindet», sagte der Vertreter des fehlenden Bundestrainers Joachim Löw mit Blick auf das EM-Qualifikationsspiel am Samstag (20.45 Uhr/RTL) in Borissow. Am Freitagnachmittag fliegt der DFB-Tross von Düsseldorf nach Minsk. Erst am Spieltag geht es mit dem Bus in den Spielort.

Noch steckt der Umbruch bei der deutschen Fußball-Nationalmannschaft nach dem blamablen Jahr 2018 in der Anfangsphase. Alle wissen um die lauernden Gefahren. «Wir fangen gerade an, eine neue Mannschaft aufzubauen», sagte Mittelfeldspieler Julian Draxler im Trainingslager in Venlo. «Wir haben viel frisches Blut in der Mannschaft. Sicher wird es noch eine Weile dauern, bis wir das Niveau von 2014 oder 2016 erreicht haben», ergänzte der 25-Jährige von Paris Saint-Germain, der vor seinem 50. Länderspiel steht.

Einen Rückschlag will Sorg in seinen ersten zwei Spielen als Hauptverantwortlicher unbedingt vermeiden. Nach Weißrussland und der folgenden Partie am Dienstag in Mainz gegen Estland soll Löw, der nach einem Sportunfall erstmals in seiner Ära als Bundestrainer nur am TV zuschauen kann, wieder übernehmen. «Natürlich tauschen wir uns jeden Abend aus», berichtete Sorg. Aber es sei «keine normale Situation», wenn der gewohnte Chef fehle, bemerkte BVB-Profi Marco Reus: «Wenn der Trainer nicht da ist, ist es nicht einfach.»

Das Trainingsspiel beim stimmungsvollen Fanfest in Aachen hat Sorg und Löw zumindest einige Erkenntnisse für Weißrussland geliefert, auch wenn das Match «Grün» gegen «Weiß» nur über zweimal 20 Minuten lief. Das Coaching sei vor den lärmenden Fans zwar etwas schwierig gewesen, sagte Sorg: «Aber es hat auch Vorteile: Die Jungs gehen mehr über den inneren Schweinehund, was auch wichtig ist. Weil wir auch Spieler dabei haben, die jetzt länger nicht gespielt haben.» Immerhin 21 Tage haben einige Akteure keinen Wettkampf mehr erlebt.

Die 22 Auserwählten des Bundestrainers, die von Sorg noch bis Freitag in Holland einen weiteren Schliff erhalten sollen, zeigten sich in Aachen in unterschiedlicher Verfassung. Kapitän Manuel Neuer setzte in dem kurzen Übungsspiel das fort, was er schon beim gewonnenen DFB-Pokalfinale mit dem FC Bayern demonstriert hatte: Der 33 Jahre alte Keeper ist wieder in Topform, parierte mehrfach prächtig.

Auch der Dortmunder Reus, Manchester-City-Profi Ilkay Gündogan und BVB-Neuzugang Nico Schulz war eine Pause nicht mehr anzumerken. Reus schoss zwei Tore und zeigte deutlich: Diesmal will er in der Startelf ran. «Es gehört Spielfreude dazu», sagte der 30-Jährige, was auch für die Aufgabe beim 81. der Weltrangliste Weißrussland gelten werde.

Der Außenseiter hat in der EM-Ausscheidung schon zweimal verloren, während Deutschland beim Top-Kontrahenten Niederlande mit 3:2 gewinnen konnte. Doch es bleibt eine Ungewissheit, ob alle Akteure mental und physisch nochmal an ihre Grenze kommen. Beim Leipziger Timo Werner etwa, auch bei Supertalent Kai Havertz von Bayer Leverkusen, dem Neu-Dortmunder Julian Brandt und beim vom FC Bayern umworbenen Leroy Sané fehlen noch einige Prozentpunkte.

«Das ist alles so geplant, deswegen sind wir auch zufrieden, wie es läuft», beruhigte Sorg: «Dass die Spieler jetzt schon alle spritzig sind und vor Spielfreude explodieren, kann man auch noch nicht erwarten.» Alles ist auf den Samstag ausgelegt. «Viel Bewegung, aus der Tiefe den Raum finden, ein gutes Positionsspiel an den Tag legen und vor dem Tor eiskalt sein» – das sieht Reus als Erfolgsrezept.

Trainer und Spieler rechnen mit einem taktisch gut eingestellten, disziplinierten Kontrahenten. «Wir werden mehr Ballbesitz haben als der Gegner. Daraus müssen wir vernünftige Spielsituationen kreieren», forderte Gündogan. Der 29-Jährige von Englands Meister City wird im Mittelfeld wohl die Rolle des fehlenden Cheforganisators Toni Kroos einnehmen. Der Ex-Weltmeister von Real Madrid soll nach einigen Blessuren schon jetzt regenerieren für die EM-Saison.

Die Einstellung werde auf jeden Fall stimmen, versprach Außenbahnspieler Schulz: «Wir werden das 100 Prozent ernst nehmen. Wir sind Profis genug, dass wir in guter Verfassung sein werden.» Die Sportliche Leitung hat viel Aufwand betrieben, das dies gelingen kann. «Nach der schlechten WM musste sich auch etwas ändern. Wir sind hochmotiviert, bei den nächsten großen Aufgaben wieder besser abzuschneiden», sagte Draxler mit dem Blick auf die EM 2020.

Die mögliche deutsche Aufstellung: Neuer – Kehrer, Ginter, Süle, Schulz – Kimmich – Goretzka, Gündogan – Gnabry, Reus, Sané

Fotocredits: Marius Becker
(dpa)

(dpa)

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