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Trauer in Cottbus – Levy: «Mir standen Tränen in den Augen»

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Cottbus – Auf den ersten Blick ist alles wie immer. Bahnfahrer aus 15 Nationen sind nach Cottbus gekommen, um beim 28. Großen Preis von Deutschland die beste Sprinterin und den besten Sprinter zu ermitteln.

Der lange Wettkampftag beginnt für Keirin-Weltmeister Fabian Zapata aus Kolumbien ausgerechnet fast genau an der Stelle auf der Gegengeraden, an der am Dienstag Doppel-Olympiasiegerin Kristina Vogel so schwer gestürzt war. «Wir haben den Start deshalb diesmal einige Meter nach vorn verlegt», sagt Axel Viertler vom Ausrichter RSC Cottbus.

130 Sportler sind am Start. Trotz der schlimmen Nachrichten aus Cottbus haben sogar noch einige ausländische Fahrer nachgemeldet. Auch Vogels Teamkollegen aus der Nationalmannschaft sind nahezu komplett dabei. Nur ihre langjährige Teamsprint-Partnerin Miriam Welte aus Kaiserslautern, die zusammen mit Vogel 2012 Olympia-Gold im Teamsprint holte und 2016 Bronze folgen ließ, und der Berliner Robert Förstemann haben kurzfristig abgesagt.

Viele Sportler, Trainer und Betreuer tragen neongelbe Armbinden, T-Shirts oder Kappen, auf denen der Hashtag #staystrongkristina zu sehen ist. Das Chemnitzer Team Erdgas.2012, für das Vogel seit 2013 fährt, hat sie über Nacht anfertigen lassen und verteilt. Die Nachfrage ist viel größer als der Vorrat. Unter dem Namen ist auch eine Crowd-Founding-Aktion gestartet worden.

Der viermalige Weltmeister Maximilian Levy, langjähriger Wegbegleiter Vogels und am Dienstag einer der ersten Helfer am Unfallort, hat in einem Aushang aufgerufen, die Prämien vom Großen Preis von Deutschland für die Aktion zu spenden. Knapp 4000 Euro schüttet der RSC aus. «Kristina wird viel Rehabilitation brauchen, um zurück ins Leben zu kehren. Unser Ziel ist es, 50 000 Euro zu sammeln», steht in dem Schreiben.

Zu ihrem Gesundheitszustand gibt es keine Neuigkeiten, weitere Operationen stehen der schwer an der Wirbelsäule verletzten Seriensiegerin wohl bevor. Die Familie steuere den Informationsfluss «und danach richten wir uns natürlich», sagte am Freitag ein Sprecher des Berliner Unfall-Krankenhauses Marzahn auf Anfrage.

Wenn Levy über den schweren Unfall spricht, stockt ihm die Stimme und die Augen werden feucht. «Als ich hier heute ankam, standen mir Tränen in den Augen», sagte Levy, der am Unfalltag 31 Jahre alt wurde. Eine Absage sei indes keine Option gewesen. «Es ist ein Stück Verarbeitung – gezwungenermaßen», sagte der Cottbuser. Er fährt die 200 Meter in 9,700 Sekunden – Bahnrekord und persönliche Bestleistung auf Meereshöhe. «Es zeigt, was der Kopf möglich machen kann. Und es war, als wäre Kristina bei mir gewesen», sagte Levy.

Bundestrainer Detlef Uibel appellierte in der Mannschaftsleitersitzung vor dem Rennen an seine Trainerkollegen. «Wir müssen diesen Unfall auch als Weckruf für uns als Trainer sehen. Ich möchte dies nicht als Vorwurf verstanden wissen, aber wir haben Verantwortung für die Sportler», sagte der Coach sichtlich bewegt. «Wir müssen daraus Lehren für die Zukunft ziehen.»

Bei der Abendveranstaltung mit den Finalläufen sollte auf sämtliche Unterhaltungselemente verzichtet werden. In den vergangenen Jahren versuchte meist eine Blaskapelle für die besondere Atmosphäre auf den zumeist spärlich besetzten Rängen zu sorgen. «Die Stimmung ist einfach gedrückt, das ist überall zu spüren», sagte Viertler.

2010, 2013, 2014, 2016 und 2017 konnte Vogel den traditionsreichen Sprint-Wettbewerb auf der 333-Meter-Betonpiste gewinnen. Auch bei der Generalprobe vor einer Woche stand die 27-Jährige an gleicher Stelle wieder lachend auf dem Podium ganz oben. Diesmal wird ihr Name in der Siegerliste fehlen.

Fotocredits: Thomas Juschus
(dpa)

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