Olympia

Lambertz: Chefschwimmtrainer mit viel Erklärungsbedarf

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Rio de Janeiro – Seine Außendarstellung ist einer der Vorzüge von Henning Lambertz. Als er in den engen Katakomben der Schwimmhalle die nächste Olympia-Enttäuschung erklären sollte, konnte er über den schnell gefundenen Kalauer «Chefbundestrainer mit dem Rücken zu Wand» auch selbst lachen.

Humor kann in Krisenzeiten helfen, doch alles kann auch der smarte 45-Jährige nicht weglächeln. Lambertz ist erfahren genug und weiß, dass die sehr wahrscheinlichen zweiten Spiele ohne deutsche Becken-Medaille ein erster echter Makel seiner Trainerkarriere bleiben werden. Und so stellte er einiges in Frage, pflichtschuldig auch sich selbst.

«Im Nachhinein hätte ich an vielen Stellen vielleicht doch eher eingreifen können, sollen, müssen», sagte Lambertz etwa zum Elite-Team, das er aufgrund der Erfolge der Vorjahre einfach gewähren ließ. Doch speziell Weltmeister Marco Koch, Paul Biedermann oder Europameisterin Franziska Hentke als einzige Medaillenhoffnungen schöpften ihr Leistungspotenzial nicht aus – und Lambertz musste wieder einmal erklären, woran es im deutschen Schwimmen hakt.

Vieles wurde auch schon 2012 nach den ersten Spielen seit 80 Jahren ohne deutsche Medaille im Becken gesagt. Und dann, ein Jahr später, in Lambertz‘ erstem Jahr als Chefbundestrainer wiederholt und ergänzt. 2014 und 2015 gab es bei EM und WM durchaus Fortschritte. Bei Olympia zeigt sich aber: Die Probleme im deutschen Schwimmsport sind nicht mit ein paar Änderungen zu beheben: Sie sind grundlegend.

Daher scheint der Familienvater an einem Punkt zu sein, an dem er mit Klartext Veränderungen herbeiführen will. Und auch muss. Weltmeister Koch und dessen Heimtrainer Alexander Kreisel etwa attestierte er, «vielleicht zu wenig Wert auf das Umfangtraining» gelegt zu haben. Und wie fast alle Trainer und Landesverbände fordert Lambertz für bessere Leistungen mehr Geld und mehr Personal, schont dabei verbal auch den Deutschen Schwimm-Verband nicht.

Dessen Strukturkommission habe zwar lange getagt und Vorschläge erarbeitet, umgesetzt indes davon wurde (zu) wenig. So warten etwa die Stützpunkttrainer immer noch auf ihre Assistenten, die sie vor allem von Bürokratie entlasten sollen. «Von dem, was die Strukturkommission zur Verbesserung vorgeschlagen hat, haben wir nichts umgesetzt», sagte Lambertz.

Kommissionen waren in der nun 16 Jahre langen Amtszeit von DSV-Präsidentin Christa Thiel in der Tat ein Mittel der Wahl, wenn wieder einmal die große Reform im Schwimmsport erarbeitet und auch umgesetzt werden sollte. Den benötigten Erfolg hat das nicht gebracht. Intern liegt im DSV einiges im Argen. Leistungssportdirektor Lutz Buschkow etwa musste zu oft gegen Widerstände kämpfen: Er gibt seinen Job zum Jahresende auf.

Dass die Option von Lambertz‘ Vertrag bis 2020 von beiden Seiten gezogen werden soll, war schon vor den Spielen klar. Daran ändert auch das neue olympische Negativerlebnis nichts. Interne Nachfolgekandidaten drängten sich nicht auf, für ausländische Bewerber ist Deutschland weder sportlich noch finanziell lukrativ.

So könnte Lambertz als einziger denkbarer Nachfolger seiner selbst die Unterschrift unter die Vertragsverlängerung von Änderungen abhängig machen. «Solange man mich dabei haben möchte und mir das Vertrauen schenkt, werde ich dabei bleiben», sagt Lambertz. Aber jeder weiß schon jetzt: In Tokio 2020 kann er sich ein Abschneiden wie aktuell in Brasilien nicht mehr leisten.

Fotocredits: Michael Kappeler
(dpa)

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